Offener Brief an Herrn Michael Weißenborn, Stuttgarter Nachrichten
In Kenntnis der Chefredakteurin Digital: Swantje Dake und des Chefredakteurs der Stuttgarter Nachrichten: Dr. Christoph Reisinger
Stellungnahme zum Artikel „Muslimische Studentenwohnheime; Koran von früh bis spät?“ von Michael Weißenborn vom 11. Dezember 2018 in den Stuttgarter Nachrichten (Print-Ausgabe)
Sehr geehrter Herr Weißenborn,
in Ihrem oben genannten Artikel über den Bau der Fildermoschee stellen Sie unseren Verein sowie den VIKZ in einem schlechten Licht dar. Und das genau an dem Tag, an dem der Gemeinderat über die Zukunft der Fildermoschee entscheidet. Leider mangelt es Ihrem Artikel an Objektivität und journalistischer Sorgfalt.
Durch die rhetorische Frage „Koran von früh bis spät?“ und andere negative Formulierungen wie „Handeln in Stille“ suggerieren Sie, als würde in den Studentenwohnheimen von morgens bis abends der Koran gelesen und auswendig gelernt. Religionsunterricht ist Teil unserer Arbeit, bei der es keineswegs darum geht, den Koran auswendig zu lernen, sondern darum, religiöses Wissen zu vermitteln, vergleichbar mit der Kommunion bei christlichen Kindern und Jugendlichen.
In Ihren Ausführungen beziehen Sie sich auf „einige Experten“, insbesondere Ursula Spuler-Stegemann, die 2004 im Auftrag der hessischen Landesregierung ein Gutachten erstellt hat, ohne jemals eine VIKZ-Einrichtung oder ein Schülerwohnheim besucht zu haben. Das ist nun 14 Jahre her. Bemerkenswert ist, dass Sie die aktuellere Studie der Migrationsforscherin Prof. Ursula Boos-Nünning von der Universität Duisburg-Essen aus dem Jahr 2010 nicht erwähnen, die diese Studentenwohnheime empirisch untersucht hat. Die Studie ist für jedermann auf der Website des VIKZ unter http://vikz.de/index.php/publikationen.htmlzugänglich einsehbar.
Professor Boos-Nünning bezieht sich auch auf das Gutachten von Spuler-Stegemann und schreibt: „Aus diesen und anderen Einzelkritikpunkten schließt Spuler-Stegemann, wie sie ausdrücklich feststellt, dass „das Eigeninteresse des VIKZ an der Einrichtung von Schülerwohnheimen vor allem (darin besteht), Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter religiös zu formen, mit einem Ausbildungsziel, das letztlich sogar eine Integration unmöglich macht.“ (Unterstreichung im Original, ebenda S. 35). An verschiedenen Stellen schreibt sie von mangelnder Integration, Isolation, mangelnder Toleranz in den Wertvorstellungen der Schüler und von antichristlichen Äußerungen. Das Problem mit dem Gutachten ist, dass es kaum Belege für eine Aussage gibt. Es wird nicht mit empirischen Daten oder gar Einzelerfahrungen auf der Ebene der Beschreibung argumentiert, sondern viele Aussagen offenbaren die emotional negativen Grundhaltungen der Verfasserin …“ (Seite 7).
Darüber hinaus erwähnen Sie einseitig ein Ereignis aus Neu-Ulm, das ebenfalls mehrere Jahre zurückliegt. Auch hier wird die Stellungnahme der VIKZ-Gemeinschaft Neu-Ulm (im Anhang) zu den Sachverhalten nicht berücksichtigt.
Die Feststellung des zuständigen Kreisjugend- und Sozialdienstes (KVJS), dass es keine „Hinweise auf kinderschutzrechtliche Gefährdungen aufgrund der konservativen Ausrichtung“ gibt und dass die Studentenwohnheime durch „Vor-Ort-Besuche“ kontrolliert werden, gehört zu den einzelnen negativen Aufzählungen Ihrerseits. Konservatismus ist ein Phänomen, das in Parteien, Kirchen und in der städtischen Gesellschaft vorhanden ist.
Sie sagen auch, dass wir bei unserem Nachbarschaftsfest unter uns geblieben seien. Im Gegenteil, wir haben uns sehr gefreut, dass viele unserer Einladung gefolgt sind, Nachbarn, Gemeinderäte, Kirchenvertreter und andere interessierte Bürger. Als Sie darum gebeten haben, mit meiner Frau oder der Frau des Imams zu sprechen, haben Sie von uns ein klares „Ja” erhalten. Leider hat es nicht geklappt, da die beiden Frauen bei Ihrer Ankunft nicht erreichbar waren.
Darüber hinaus gibt es auch viele positive Dinge über die VIKZ zu berichten, wenn man wollte: Sie ist seit Beginn (2006) Mitglied der Deutschen Islamkonferenz; wird zu Empfängen und Gesprächen des Bundespräsidenten und der Bundesregierung eingeladen; ist Partner der Landesregierungen in Fragen der Religionspädagogik und islamtheologischen Lehrstühle; steht in engem Kontakt mit der evangelischen und katholischen Kirche; bildet seine Imame in Deutschland aus, die hier sozialisiert sind, wie beispielsweise unseren Imam Bilal Yilmaz, den Sie bereits kennen, usw.
Unsere Gemeinde besteht seit 30 Jahren in Leinfelden-Echterdingen und bisher gab es keine „integrationsfeindlichen”, geschweige denn problematischen Vorkommnisse.
Wir möchten noch einmal betonen, dass unsere Einrichtung für alle offen ist und wir einen intensiveren Austausch mit der Stadtgesellschaft anstreben. Es gab bereits mehrere Gespräche mit verschiedenen Vertretern der Stadtgesellschaft, die wir weiter ausbauen möchten.
Pressemitteilung vom 14.11.2019
Die Planung des VKBI-Schülerwohnheims war der Stadt Leinfelden-Echterdingen von Beginn an bekannt
In dem Artikel der Stuttgarter Nachrichten mit dem Titel „Wäre der Moschee-Streit vermeidbar gewesen?“ vom 13.11.2019 wurde wiederholt von der Unkenntnis der Stadt über das beabsichtigte Schülerwohnheim des VKBI berichtet („Dass der VKBI in Oberaichen auch ein Schülerwohnheim plant, sei der Stadt zu Beginn nicht klar gewesen.“ )
Hierzu stellt der VKBI fest: Der Stadt waren sämtliche Nutzungsabsichten des Vereins von Beginn an bekannt. Noch mehr: Sie hat selbst die baurechtlichen Voraussetzungen für die Filder-Moschee mit ihrem Anbau überhaupt erst geschaffen, nämlich durch eine Änderung des Bebauungsplans „Teiländerung Unterer Kessler II“. In der Begründung zum Beschluss des Gemeinderats vom 25.11.2014 heißt es unter Punkt 4 „Planerische Konzeption“:
„Der Verein für Kultur, Bildung und Integration e.V. Leinfelden-Echterdingen (VKBI) plant die Errichtung eines Gebets- und Kulturzentrums. Das derzeit genutzte Gebäude in der Karlsruher Straße bietet keine angemessenen Räumlichkeiten, um der islamischen Gemeinde als religiöser und kultureller Mittelpunkt dauerhaft dienen zu können. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort hat die Stadt den Verein bei seinem Anliegen unterstützt, nachdem ein anvisierter Standort in Unteraichen zu Bürgerprotesten geführt hat. Um allen Seiten gerecht zu werden, soll der Verein an einem verkehrsgünstig gelegenen Standort im Stadtgebiet angesiedelt werden. Hier bietet sich der städtische Bauplatz im Gewerbegebiet Oberaichen an. Geplant ist ein Gebäude mit insgesamt ca. 2200 m2 Nutzfläche als islamisches Gebets- und Kulturzentrum. Vorgesehen sind außer den Gebetsräumen für Männer und Frauen noch Läden, ein Café mit Bibliotheksnutzung, ein Spielbereich für Kinder, ein Verwaltungsbereich, ein Wohnheim für Schüler und Lehrpersonal, Lehrräume, Lagerräume sowie sanitäre Einrichtungen.“
Der Beschluss des Gemeinderats erfolgte ohne Gegenstimmen.
Der Vorstand nimmt die wiederholt gegen den Verein erhobenen Vorwürfe der Intransparenz zum Anlass, die Öffentlichkeit zu informieren, aufzuklären und die Angelegenheit richtigzustellen.
Der VKBI hat seine Gesprächs- und Kompromissbereitschaft gegenüber Stadt immer wieder zum Ausdruck gebracht. Leider wurde der jüngste Kompromissvorschlag, wie bekannt, vom Gemeinderat am 22.10.2019 mit der Stimme des Oberbürgermeisters abgelehnt. In der Begründung hieß es, gegen alle Integrationsbemühungen spreche der Zweite Bauabschnitt, weil das geplante Schülerwohnheim, Bistro, Friseur und Laden mit Halal-Produkten „einer möglichen Entwicklung zur Exklaven-Bildung“ beitrage.
Der Vorstand weist den Vorwurf einer Exklaven-Bildung mit Entschiedenheit zurück.
Für den VKBI stellt sich die Frage: Wenn dieser schwerwiegende Vorwurf zutreffen sollte, warum hat die Stadt vor fünf Jahren den Bebauungsplan genau in diesem Sinne geändert? Warum hat sie anschließend den Zweiten Bauabschnitt Anfang 2015 genau so genehmigt, wie der Verein ihn nunmehr fertigstellen möchte?
Ausweislich öffentlicher Dokumente hat der VKBI weder die Stadt noch die Öffentlichkeit über mögliche Nutzungen getäuscht. Er möchte nicht mehr, aber auch nicht weniger als das, was die Stadt ihm vor fünf Jahren selbst ermöglicht hat. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass Schülerwohnheime keine rechtsfreien Räume sind, sondern unter strenger staatlicher Kontrolle der zuständigen Landesämter stehen.
Muhammet Güçlü
VKBI e.V.